Die Markenmacherin

Februar 10, 20165 Minutes

Ohne Uli Mayer-Johannssen wäre die Dachmarke Südtirol nicht das geworden, was sie heute ist.

Was war die besondere Herausforderung bei der Entwicklung der Dachmarke für Südtirol?

Nicht ganz einfach war es, die verschiedenen Aspekte und Aufgaben von Tourismus, Milch-, Speck-, Apfel- und Weinwirtschaft unter einen Hut zu bringen. Es existieren z. B. keine gemeinsamen Qualitätskriterien für diese ebenso komplexen wie heterogenen Branchen und Bereiche. Folglich stand die Frage nach den gemeinsamen Interessen und den sich daraus ableitenden Prüf- und Qualitätskriterien an erster Stelle. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass die Verantwortlichen aus sehr unterschiedlichen Bereichen kommen und strategische Fragen in der Markenarbeit häufig nur am Rande eine Rolle spielen grundsätzlich eine Besonderheit in Dachmarkenprozessen.

Würden Sie heute alles noch einmal so machen wie vor 10 Jahren?

Was den Gesamtprozess und die einzelnen Entwicklungsschritte betrifft, sehe ich auch heute keinen besseren Weg. Der nachhaltige Erfolg und die hohe Attraktivität der Dachmarke zeigen, dass vieles richtig gemacht worden ist. In kürzester Zeit haben sich annähernd alle Tourismusverbände, Produzenten und darüber hinaus viele Hersteller dem Prozess angeschlossen und die Marke als Qualitätsnachweis genutzt. Meiner Meinung nach geht es insbesondere darum, ein gemeinsames Vorstellungsbild von der Zukunft, eine Vision zu entwickeln. Es geht auch um die Frage, was die im Allgemeinen in Konkurrenz zueinander stehenden Destinationen, Hersteller und Produzenten dazu bewegen könnte, Kräfte zu bündeln, Synergien zu schaffen und letzten Endes die eigenen Interessen zum Vorteil aller in den Hintergrund zu stellen. Ziel muss es sein, gemeinsam einen Mehrwert zu schaffen, der nicht nur dem Einzelnen, sondern der gesamten Region zugutekommt und darüber hinaus Südtirol in seiner Einzigartigkeit bewahrt und stärkt.

Ist eine komplexe Angelegenheit wie eine Destination überhaupt in das strikte Regelwerk einer Marke zu fassen?

Eindeutig ja. Wichtig ist das Herausarbeiten des Gemeinsamen und der Konstanten, um Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten und um Marken strategisch und zielgerichtet zu steuern. Gleichzeitig müssen die Variablen klar sein, um medienadäquate Spielräume nutzen zu können und technischen wie kanal- und medienspezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Die digitalen Kanäle, ob soziale Netzwerke oder Dienstleistungsangebote im Netz, stellen uns vor völlig neue Herausforderungen. Es ist sogar inhaltlich und thematisch wesentlich anspruchsvoller geworden, Profil und Auftritt einer Marke in allen Dimensionen zu steuern und gleichzeitig dialogfähig zu sein und die Gesamtwirkung aller Aktivitäten im Blick zu behalten.

Muss man eine Destination mögen, um dafür die passende Marke zu entwickeln?

Gute Frage! In meinem Fall bestand und besteht nachgerade ein Liebesverhältnis zu Südtirol. Gerade dann muss man aber einen wachen Blick dafür haben, wo Schwierigkeiten und Probleme liegen und was die Markteintrittshürden sind. Dies ist auch ein Grund, warum Regionbrandingprozesse nicht nur von innen heraus entwickelt werden können. Neben aller Fachkompetenz braucht es vor allem aber Verantwortliche in der Region, die sich ebenso fachkundig wie leidenschaftlich für die Sache einsetzen und politischen wie wirtschaftlichen Sachverstand einbringen.

Verändert eine Marke mit der Zeit auch das Produkt?

Da es im Wesentlichen darum geht, die Stärken einer Region, seiner Produkte und Dienstleistungen zu bewahren und gleichzeitig qualitative Wachstumsprozesse zu initialisieren, müssen aus der Marke Erneuerungsprozesse erfolgen. Sie geben mit der Marke ein Versprechen (auch wenn kein Qualitätssiegel existiert).

Dieses Versprechen sollten sie tunlichst einlösen, denn Enttäuschungen können mittel- bis langfristig zu einer gefährlichen Melange für die gesamte Region werden, siehe Volkswagen. Marken haben viel mit Verantwortung, Haltung, Werten und Selbstverständnis zu tun. Sie gestalten Zukunft und die Menschen in der Region müssen das Versprechen in ihr Leben und Handeln übertragen und sich dafür einsetzen und begeistern.

Gibt es in der heutigen schnellen Zeit noch so etwas wie Markentreue?

Auf einer bestimmten Ebene erodiert Markentreue in gewisser Weise. Unternehmen wie Marken stehen vor gewaltigen Herausforderungen, wenn es um Kundenbindung, sprich die Treue zur Marke geht. Die steigende Zahl der Medien sowie die zunehmende Komplexität erfordern immer mehr Know-how im Umgang mit Inhalten und Kanälen. Auf der anderen Seite wird Marke als Orientierungs-, Entscheidungs- und Qualitätsgarant immer wichtiger, um in einer überbordenden Flut an Informationen und Optionen überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

Interview zu 10 Jahre Dachmarke im Magazin für Destinationsmarketing in Südtirol II 2015

Text: Andreas Tschurtschenthaler