Journal der Künste Nr. 19

Wie die Akademie der Künste zu einem Ort der Nachhaltigkeit werden könnte.

Auszug aus dem Beitrag:

Die apokalyptischen Reiter der Moderne
Globalisierung, Digitalisierung und Neoliberalismus haben, gelinde gesagt, nicht nur Gutes bewirkt. Offene Grenzen und offene Märkte haben am Ende unsere Resilienz zerstört. Internet und soziale Medien haben neben weltweiten Zugängen zum Wissen und dem Traum von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit auch Manipulation und Hass globalisiert. Dem Traum vom ungebremsten Wachstum auf einem begrenzten Planeten folgten Raubbau, Verschwendung und die Zerstörung ganzer Kulturräume. Und immer wieder bleibt die Frage: Warum handeln wir nicht, obwohl wir so unendlich viel Wissen und Kompetenz angehäuft haben?

Der ganze Beitrag

 


Uli Mayer-Johanssen zu Gast beim DDC Konvent für Demokratisches Design

Die Demokratie ist, wie Winston Churchill feststellte, die schlechteste aller Regierungsformen – ausgenommen alle anderen. Die Fehler und Mängel der Demokratie, auf die dieser Satz hinweisen sollte, scheinen nun jedoch zu überwiegen. Während der schwindende gesellschaftliche Zusammenhalt die Demokratie von innen porös werden lässt, treten anti-demokratische Kräfte wieder offen und selbstbewusst auf. Was können Designer*innen dem entgegensetzen? Wie können Designer*innen aktiv demokratische Politik mitgestalten und stärken? Der DDC Konvent für demokratisches Design fragt euch, die Expert*innen aus der Designbranche, nach der ästhetischen, ökologischen, ökonomischen und politischen Rolle von Design für die Demokratie.

Uli Mayer-Johanssen war zu Gast beim DDC Konvent mit einem Impulsvortrag zu Demokratie, Verantwortung und Design.

→ Hier zu den Impulsvorträgen des DDC Konvent

 


#LastSeen Ausstellung on Tour

Mit einem historischen LKW, als mobiler Ausstellungsraum, geht #LastSeen – Bilder der NS-Deportationen ab dem 20. Januar 2022, dem 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz, auf Tour.

Auf dem Marienplatz in München wurde die auf der Ladefläche eines historischen LKWs zu sehenden Ausstellung erstmals eröffnet, bevor sie durch Deutschland tourt. Die mobile Ausstellung ist zugleich Teil der gleichnamigen Suchkampagne der Arolsen Archives nach Bildmaterial von NS-Deportationen.

Die Wanderausstellung macht darauf aufmerksam, dass viele Plätze und Wege, auf denen die Menschen gesammelt wurden, heute noch das Stadtbild prägen. Die Besucher*innen sollen angeregt werden, sich auf die Suche nach weiteren Bildern und Informationen in diesen Orten zu machen. Mithelfen können neben Lokalhistoriker*innen alle Interessierten. In der Ausstellung wird erklärt, wie genau das geht.

Die Ausstellung soll wie das Gesamtprojekt #LastSeen forschendes und entdeckendes Lernen unterstützen. Ein Ziel des Projekts ist, an einer bewussten und aktiven Erinnerung an die NS-Zeit mitzuwirken. Dazu gehört auch, eine Brücke ins Heute zu schlagen. Denn ausgehend von den Deportationen damals – von dem Verhalten der Zeug*innen – ist es naheliegend darüber nachzudenken, in welchen Situationen wir heute wegschauen.

Wir von UMJ freuen uns, dass wir der Initiative #LastSeen ein Gesicht geben durften.  Die Idee zur mobilen Ausstellung und dreidimensionale Gestaltung stammt von Jens-Ole Kracht. Wir hoffen, damit ein weiteres Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, damit die Erinnerung nicht verblasst und wir nie wieder die Augen verschließen vor Unrecht und Hass.

 

Die ersten Standorte der #LastSeen Ausstellung:

20. Januar, 10-18 Uhr: Marienplatz, München
21.-23. Januar, 12-17 Uhr: Rindermarkt, München
24.-25. Januar, 12-17 Uhr: Sankt-Jakobs-Platz, München

 

Hier die Aufzeichnung des Pressetermins vom 20. Januar 2022 mit den Sprechern: Oberbürgermeister Dieter Reiter, Landeshauptstadt München; Dr. h. c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern; Dr. Henning Borggräfe, Leiter Forschung und Bildung der Arolsen Archives und Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).

→ Weitere Informationen zu Initiative #LastSeen


Essay für Shaping futures by Design

Vom 6. bis 14. März 2021 präsentierte sich die Munich Creative Business Week (MCBW) dieses Jahr vor allem digital und hybrid. Der Schwerpunkt zum zehnjährigen Jubiläum war  Zukunftsgestaltung.

Die MCBW, die von bayern design, dem Kompetenzzentrum für Gestaltung des Freistaates Bayern, veranstaltet wird, hatte das Schwerpunktthema Shaping futures by Design ganz bewusst gewählt – denn aktuell geht es nur um eines: unsere Zukunft. Die Corona-Krise hat bekannte Problemstellen vielfach verstärkt oder einfach nur aufgedeckt – Design ist für Vieles Lösung und Hoffnungsträger zugleich. Dieses Jahr durften sich Design-Experten auf einen Mix von rund 100 digitalen, hybriden und analogen Veranstaltungen freuen – damit setzte die MCBW neue, vielfältige Impulse.

Für das MCBW Creative Book, dem begleitenden Magazin, schrieb Uli Mayer-Johanssen ein Essay, was Sie hier nachlesen können.

→ Mehr über die MCBW

 


Artikel in Ästhetik & Kommunikation

Die Ausgabe vom November 2020 thematisiert „Werbung“ aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet und debattiert.

Mit dem im Heft an mehreren Stellen zitierten Diktum »Ich bin der Typ, der Ihnen Scheiße verkauft« von Frédéric Beigbeder tritt in Jan Schimmangs Kurzgeschichte »Out of home« die gute Absicht hinter den Werbetreibenden zurück – ein Paradestück eines hilflosen Helfers des Abverkaufs der großmäuligen Sorte aus den 1980er Jahren.

Den Kontrast liefern in der Folge die launigen »Geständnisse« der Markenexpertin Uli Mayer-Johanssen. Mit dem anonymen Zitat »Nur wenn das Herz erschlossen, dann ist die Erde schön, du standest so verdrossen und wusstest nicht zu sehn« liest sie die ergriffenen und vertanen Chancen der Gestaltung über die Zeit. Ihr Diktum ist eines, das die Werbung der Erde verpflichtet sieht.

Werbung interessiert sie nicht – und das mit den vielen Details, die es braucht, um sie zu verstehen. Und was wäre, wenn das die Werbung interessieren würde?

→ Link zum Archiv

→ Auszug des Artikels


"Nachhaltige Berichterstattung" - Heidelberger Forum Geschäftsberichte 2017

15. September 2017, 11.00 Uhr
Vortrag: "Identitätsbasierte Unternehmens- und Markenführung"

Das Heidelberger Forum findet seit 1995 jährlich statt und befasst sich dabei mit Themen rund um den Geschäftsbericht. In diesem Jahr ging es um das Thema "Nachhaltige Berichterstattung". Wie definiert sich diese und welche Aspekte müssen Unternehmen in ihren heutigen Geschäftsberichten beachten?

Diese und andere Fragen wurden im Austausch mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft betrachtet und diskutiert. Außerdem wurden  Ergebnisse und Best Practice-Beispiele aus der Analyse "Corporate Reporting – Die besten Geschäftsberichte 2017" vorgestellt.

Statement von Uli Mayer-Johanssen


Über das erfolgreiche Kulturprojekt „MoMA in Berlin"

Frau Mayer-Johanssen, wie kam die Zusammenarbeit mit den Freunden der Nationalgalerie für das MoMA-Projekt zustande? Haben Sie sich auf eine Ausschreibung hin beworben?

Es war eigentlich wie immer. Die Freunde der Neuen Nationalgalerie hatten schon des öfteren mit Designern und Agenturen zusammengearbeitet und sich am Markt umgesehen. Sie haben Gespräche geführt, sich Angebote unterbreiten lassen und gesichtet. Wir konnten mit unserem Konzept das verantwortliche Team überzeugen.

Wie haben Sie die Strategie geplant bzw. wie baut man eine gute Kampagne für ein Kulturunternehmen auf? Gab es besondere Vorgaben zu beachten?

Es scheint für Kulturschaffende ein neuer Gedanke zu sein, aber Kulturinstitutionen müssen, wenn Sie Aufmerksamkeit erreichen möchten, ebenso strategisch vorgehen, wie Wirtschaftsunternehmen. Lediglich die Themen sind andere und sie müssen anders aufbereitet werden. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – mit der Thematik an sich muss man sich ebenso intensiv auseinandersetzen wie bei einer Produkt oder einer Unternehmensmarke, um eine Kernaussage formulieren zu können, die auch tatsächlich das Interesse des Gegenüber weckt.

Wie lange hatten Sie im Vorlauf Zeit, die Kernaussage „Das MoMA ist der Star" zu definieren?

Wir sind an die MoMA-Ausstellung genauso herangetreten, wie an eine Markenentwicklung. Das ist sicher eine andere Vorgehensweise als es Museen üblicherweise tun. Sie sind gewohnt, dass für Ausstellungsankündigungen ein Plakat mit einer vom Museum vorgegebenen Überschrift und Gestaltungsvorstellung entworfen wird. MetaDesign arbeitet hier anders: Wir binden die Personen, die die Verantwortung tragen in den strategischen Entwicklungsprozess aktiv ein. Sie repräsentieren das größte Know-how, liegen allerdings oft mit ihren sehr unterschiedlichen Sichtweisen weit auseinander, wie es bei z.B. bei dem Vorsitzenden des Freundeskreises, Peter Raue, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen, Klaus-Peter Schuster, und der Kuratorin der Ausstellung, Angelika Schuster, sicherlich in der einen oder anderen Frage auch der Fall war. In einem Workshop erarbeiten wir gemeinsam mit diesen Verantwortlichen die strategischen Grundlagen und die zentrale Botschaft oder das, was wir zu einer zentralen Botschaft machen könnten, heraus. Daraus entwickeln wir die Kernidee und die Positionierung, die dann die konzeptionelle Basis für Kommunikation und Design bilden. Wir hätten auch die bekanntesten Künstler der Ausstellung aufs Plakat setzen können: Picasso, Matisse, Miro, Pollock etc.. Aber während des Workshops wurde sehr deutlich, dass einzelne Künstler aus der Sammlung nicht für das Ganze stehen können, dass die MoMA-Ausstellung weit über ihre Einzelakteure hinausgeht. Die Frage war, welche Gefühle, welche Vorstellungen sollten geweckt werden, welche Erwartungen wollen wir wecken, wenn das erste Mal das Plakat in der Öffentlichkeit zu sehen ist? So kristallisierte sich die Kernaussage „Das MoMA ist der Star" heraus.

Gab es im Laufe des Workshops divergente Meinungen bei den Verantwortlichen von Seiten der Staatlichen Museen? Merkte man an mancher Stelle, dass es Reibungspunkte mit der Vorstellung bei der Agentur gab?

Zu Beginn mussten wir den Verantwortlichen zunächst verdeutlichen, dass sie sich auf eine Investition mit ziemlich hohem Risiko eingelassen hatten: Die Aufgabe lautete, mindestens 700 Besucher pro Tag in die Ausstellung zu holen. Das mit einer einfachen Plakat- und Flyer-Aktion erreichen zu wollen, wäre völlig unmöglich. Bei der Menge der Plakate und Flyer, die sie verteilen müssten, bräuchten sie einen Etat von mehreren Millionen. Der Etat lag aber bei 600.000 Euro. Um die angestrebte Besucherzahl zu erreichen, war also massive Aufmerksamkeit gefragt, und dies wurde den Verantwortlichen während des Workshops richtig deutlich. Wir haben einen Problemvertiefungsprozess angestoßen und Fragen formuliert: Welche Punkte müssen wir beachten? Welche Lösungen müssen wir entwickeln? Die schließlich entworfene Kampagne war die Antwort auf diese Fragen.

Ein konkretes Beispiel: Bei der langen Laufzeit der MoMA-Ausstellung z.B. wäre ein einziges Plakatmotiv problematisch, da der Aufmerksamkeitwert bei einem immer gleichen Motiv drastisch sinkt. Eine strategische Herangehensweise bedeutet also nicht, mehrere Motive zu entwickeln und das schönste auszuwählen, sondern die Gesamtproblematik zu erkennen und dafür kreative Lösungen zu entwickeln – und zwar strategisch kommunikativ und strategisch visuell.

Die Verantwortlichen waren also erstaunt über die Dimension der Aufgabe, der sie sich stellen mussten?

Das ist eigentlich immer der Fall. Man muss oft mit ganz grundsätzlichen Glaubenssätzen aufräumen und das auf allen Ebenen. Bei der Neuen Nationalgalerie kommt hinzu, dass öffentliche Museen im Bezug auf beispielsweise Öffnungszeiten und Personal einen engeren Handlungsspielraum haben als Privatunternehmen. Außerdem mussten wir darüber nachdenken, was es heißt, in einer Gesellschaft zu agieren, die immer mehr von einem Eventcharakter geprägt ist, und was es wiederum heißt, sich darin bemerkbar zu machen. Es war nahezu ein Paradigmenwechsel. Heute steht nicht mehr das Kunstwerk selbst im Zentrum, sondern die Kommunikation darüber. Denn vielerorten ist der Eintritt für eine Ausstellung mittlerweile auf eine beachtliche Summe gestiegen. Zudem möchte man die Besucher dazu anregen, Postkarten und Plakate zu kaufen, Kaffee zu trinken und so weiter. Der Ausflug ins Museum wird also für eine Familie oder auch für Studenten zu einem richtigen Investment. Sie müssen den potentiellen Kunden daher klar und deutlich sagen, warum sich diese Investition lohnt.

Aber diese Aufmerksamkeit zu bekommen, funktioniert heute bei einem nahezu nivellierten Werbemarkt kaum noch. Welche Potenziale gibt es denn gerade für kleine Einrichtungen? MoMA war ja im Werbebereich ein Ausnahmeprojekt.

Es gilt die alte Regel: Je weniger Geld sie haben, desto strategischer müssen sie damit umgehen. Es geht darum, Abläufe zu professionalisieren und zielgerichtet zu kommunizieren. Für den Erfolg der MoMA-Ausstellung war die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ein ganz zentraler Punkt. Wir haben ein Kommunikationskonzept entworfen, das en Detail beschrieben hat, welche Maßnahmen wann greifen. Anregungen haben wir uns dabei beim Krisenmanagement geholt: Von Beginn an die Dinge zu Ende denken, um dann nicht, wenn etwas nicht funktioniert, kurzfristige Aktionen zu starten, die nicht mehr zielgerichtet sind.

Aber das Problem in den meisten Kulturinstitutionen ist, dass aus Personal- und Geldmangel kein professioneller Angestellter diese Arbeit betreut. Es fällt ja häufig auf den „Kulturschaffenden" zurück, der nicht die passende Ausbildung für eine solche Aufgabe hat. Man bräuchte also das geschulte Personal.

Man braucht eine professionelle Einstellung. Das Spannende ist, dass sich hier im Augenblick sehr viel verändert. Wir erleben das im Gespräch mit Museumsleuten: Von früher fünf Prozent Kommunikationsetat werden mittlerweile bereits bis zu 50 Prozent der Projektgelder für kommunikative Maßnahmen eingesetzt. Und das ist eine sichtbare Entwicklung hin zur Professionalität.

Liegt das Problem nicht aber auch in der mangelnden Bereitschaft, neue Wege zu gehen?

Ich denke, der Markt wird noch enger werden. Und es ist häufig so, dass erst die Krise uns Menschen dazu befähigt, die Dinge neu zu sehen und alte Glaubens- und Verhaltensmuster aufzugeben. Unterm Strich gesagt: Das Geld ist nicht das Problem, die geistige Haltung und die Art und Weise, Dinge in Gang zu bringen, ist es. Relativ verbreitet ist der Gedanke "Ich brauche einfach nur ein Logo, und die Sache wird funktionieren." Aber erst wenn man das Logo als ein Symbol für etwas kommuniziert und es eine deutliche Identität repräsentiert, hat ein Logo eine wirkliche Kraft.

Wird häufig nicht lediglich die Fassade, das äußere Erscheinungsbild, das Logo etc. verändert, aber nicht grundlegende Ausrichtung?

Da muss ich Ihnen leider Recht geben. Aber das Problem fällt den Leuten immer wieder auf die Füße. Wenn man heute neue Wege beim Ringen um Aufmerksamkeit beschreiten möchte, muss man wissen, wofür man stehen will und was die eigene Botschaft und Überzeugung ist.

Der nächste Schritt dabei ist die konsequente Verfolgung der Strategie, anstatt alle zwei Jahre die Botschaft zu wechseln?

Das ist wichtig. Sonst kann das Gegenüber die Botschaft nicht lernen.

Wie lange braucht man, um eine Botschaft nachhaltig kommunizieren zu können? Wie lauten Ihre Erfahrungswerte?

Sie können kurzfristige Erfolge dann generieren, wenn sie eine Plattform haben, auf der sie agieren – wenn sie für etwas bekannt sind. Nehmen Sie die documenta in Kassel. Die Verantwortlichen haben über Jahre hinweg an ihrer Überzeugung festgehalten. Hätten sie alle vier Jahre ihr Konzept verändert, dann wäre sie nie die weltweit bedeutendste Ausstellung für zeitgenössische Kunst geworden. Man braucht Konstanten und Variablen. Konstanten, die gelernt sind, so dass man die Leute schnell abholen kann. Und Variablen, die ein Thema medien- und themenadäquat sehr fokussiert positionieren.

Uns war klar, dass wir der MoMA-Ausstellung prägnant und laut sein müssen, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Der Sog musste so groß sein, dass er das ganze Thema über den langen Zeitraum tragen kann. Daher haben wir zu Beginn der Kampagne auf Irritation gesetzt. In ganz Berlin hingen gerade einmal 450 Plakate in den Farben Magenta und Gold, die besagten: „MoMA ist der Star", „MoMA kommt". Die Reaktionen reichten von Verwirrung bis Entsetzen, die Plakate wurden zu einem Thema, über das die Presse berichtete. Bevor die Ausstellung überhaupt begonnen hatte, war das Interesse der Öffentlichkeit derart groß, dass die Medien sich des Themas oft und dankbar angenommen haben. Und ich finde, hier haben wir brillant gespielt.

Aber waren Sie ein Stück weit nicht selbst von der Wirkung überrascht?

Dass letztendlich 1,2 Millionen Besucher gezählt wurden, überraschte natürlich alle. Aber eins ist klar: Dieser Erfolg war kein Zufall. Er war strategisch geplant, und es wurden zielgerichtet die Instrumente gewählt, die dieses Ergebnis möglich gemacht haben.

Welche Lehren können für Werbung im Kulturbereich aus diesem Projekt gezogen werden?

Was man sicher daraus lernen kann ist, dass man die Probleme im Vorfeld analysieren und man konzeptionell arbeiten muss. Kommunikation, Strategie und Design müssen Hand in Hand gehen.

Wie weit ging Ihr Aufgabenbereich bei dem Projekt MoMA?

MetaDesign hat das Konzept entwickelt und alle kommunikativen Maßnahmen weiter begleitet. Aber natürlich war der Verein der Freunde der Nationalgalerie Handlungs- und Entscheidungsträger. Da der Verein im Workshop die Grundlagen der Kampagne und die Zielsetzung mitentwickelt und formuliert hatte, konnte er später selbstständig und zielgerichtet zu agieren. Das ist der entscheidende Punkt: Für die erfolgreiche Umsetzung einer Kommunikationskampagne muss das Kulturunternehmen als Auftraggeber und Nutzer den Prozess verstehen und aktiv mittragen, also das Interesse und die Fähigkeit haben, Kommunikationsinstrumente konsequent im Sinne der entwickelten Zielsetzung einzusetzen.

Frau Mayer-Johanssen, vielen Dank für das Gespräch!


Digitale Inhalte – aus der Marke gedacht. Marken im digitalen Zeitalter

Buchbeitrag von Uli Mayer-Johanssen, erschienen Mai 2017 in:

Digitale Markenführung - Digital Branding im Zeitalter des digitalen Darwinismus.
Das Think! Book von Karl-Heinz Land, Ralf T. Kreutzer.

Unsere Informations- und Kommunikationsgesellschaft wird gleichermaßen geprägt von globaler Vernetzung und rasantem Wandel. Dabei steigen die Anforderungen an Unternehmen und Marken in bislang nicht gekanntem Maße. Komplexität, ein Überangebot an Marken, Dienstleistungen, Produkten und Optionen erzeugen mittlerweile ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und Überforderung.

Die zunehmende Digitalisierung verändert nicht nur die Formen der Kommunikation, sondern erfasst mittlerweile alle Lebensbereiche. Neue Geschäftsmodelle etablieren sich und die Erwartungen an die Unternehmen, die Menschen zu entlasten, ihr Leben zu erleichtern und ihnen Entscheidungen abzunehmen, steigen kontinuierlich. Das Bedürfnis nach Interaktion, Beteiligung und Entertainment wächst und erhält durch soziale Medien und neue Technologien einen nie gekannten Stellenwert. Neben den vielfältigen Chancen, die sich für Marken und Unternehmen im Dialog mit ihren Kunden ergeben, erzeugt die Vielzahl an technischen Optionen und das Tempo, in dem sich die Rahmenbedingungen und Verhältnisse am Markt verändern, Verunsicherung, wenn nicht gar Unbehagen. In gleichem Maße steigt die Verant-wortung derer, die über Kanäle und Inhalte entscheiden, um Kunden zu erreichen oder für Produkte und Dienstleistungen zu werben.

Spätestens mit der Erweiterung des Internets in Social-Media-Kanäle haben sich die Erwar-tungen der Menschen an die Dialogfähigkeit der Unternehmen nachhaltig gewandelt. Sie setzen voraus, dass Unternehmen diese Form der Ansprache bieten, zielgruppenadäquat kommunizieren und ihre Dienstleistung entsprechend gestalten. Nutzerführung, Logik, Anmutung und Inszenierung unterliegen eigenen Gesetzmäßigkeiten und Erwartungen. Darüber hinaus werden durch den Einsatz und den Umgang mit digitalen Medien Erwartungen geweckt, die weit über den konkreten Informationsaspekt hinausgehen. Zugänglichkeit, Aktualität, Leichtigkeit und spielerischer Umgang mit den Kanälen werden zunehmend zu Kriterien in der Bewertung und Akzeptanz von Marken.

Darum Marke

Eine starke Marke schafft Vertrauen und ermöglicht langfristige Beziehungen, indem sie Identifikationspotenzial bietet und neben Risikoreduzierung und Informationseffizienz ideel-e Werte verkörpert. Eine emotionale Ansprache, die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen ins Zentrum stellt, wird immer wichtiger. Unabhängig davon, um welche Dienstleistungen oder Produkte es sich handelt. Unabhängig davon, über welche Kanäle die Marke kommuniziert. Insbesondere in einer Konsumgesellschaft, in der Produkte und Dienstleistungen immer weniger Alleinstellungsmerkmale oder reale Unterschiede bieten, werden Kommunikation und Marke als Abgrenzung und Unterscheidung im Wettbewerb zu Schlüsselfaktoren: Marke ermöglicht Differenzierung von der Konkurrenz und Identifizierung nach innen wie nach außen. Strategie, Werte, Positionierung und Ausrichtung der Marke werden zu entscheiden-den Prüfkriterien, ob etwas zu Unternehmen und Marke passt, oder eben nicht.

Chance und Risiko für Marken

Inhalte, die im Web in besonders hohem Maße weiterempfohlen, geteilt oder geliked werden, gelten zunächst als erfolgreich. In den letzten Jahren hat Edeka mit einer ganzen Serie ebenso auffälliger wie mutiger Video-Geschichten kontinuierlich für hohe Aufmerksamkeit wie heftige Diskussionen gesorgt. Ob mit einer Reihe dreiminütiger millionenfach gelikeden „Supergeil"-Videos mit Friedrich Liechtenstein, die für manchen bereits grenzwertig waren und die Frage nach der Stimmigkeit im Kontext der Neupositionierung „Wir lieben Lebensmittel" aufwarfen, oder dem ebenso vieldiskutierten Weihnachtsclip, der mit den Konsequenzen einer sich immer schneller drehenden, auseinanderstrebenden, karriereorientierten Welt und die damit einhergehende soziale Vereinsamung und Kälte zwischen den Menschen emotional in Szene setzte. Am Ende bleibt die Frage: Passt die Aussage zur Positionierung der Marke bzw. des Unternehmens und unterstreicht sie damit die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Botschaft? Das Bedürfnis nach Entertainment, Humor und einem gesteigerten Spaßfaktor verdrängt zunehmend den Wunsch nach Daten, Fakten und sachlichen Informationen im Netz.

Die Gründe, warum User fremde Inhalte im Netz verbreiten, sind laut einer Studie der New York Times Customer Insight Group unterschiedlichster Natur: Menschen unterhalten, bilden oder überraschen, sich gegenüber der Community mit Inhalten darstellen und definieren, sich selbst verwirklichen oder Netzwerke ausbauen. Was die Inhalte allerdings bieten müssen, um geteilt zu werden, bildet ein breites Spektrum: bildstark, witzig, überraschend oder emotional und ansprechend müssen sie sein. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, immer aber sind es emotional geprägte Aspekte, die eine zentrale Rolle spielen. Eines jedoch ist sicher: Kein User macht sich selbst zum kostenlosen Vermittler platter Werbebotschaften. Der Content muss für den Nutzer relevant sein und ihm dazu verhelfen, sein Profil innerhalb der Community zu schärfen – erst dann wird geteilt.

Doch sharen und liken alleine reicht nicht aus, denn so viele Klicks das amüsante Katzen-Video auf YouTube auch einsammeln mag: Wenn der Inhalt der Marke ihrer Positionierung nicht entspricht oder das Profil verwässert, bleibt der Clip zwar in Erinnerung, der Absender aber gerät in Vergessenheit. Schlimmer noch: Werden die eigenen Markenwerte in der Kommunikation gar torpediert, kann sich das negativ auf Marke und Image des Unternehmens auswirken. Bei vielen Spots können einem schon Zweifel kommen, ob die Nachhaltigkeit der Botschaft im Wettlauf um Klickraten am Ende nicht zum Bumerang für die Marke wird. Die Glaubwürdigkeit von Marken leichtfertig aufs Spiel zu setzen, ist ein Spiel mit dem Feuer und kann über Nacht zum Supergau für Marke und Unternehmen werden.

Die Frage nach der Glaubwürdigkeit

Unser Blick auf die Dinge sowie unsere Möglichkeiten, uns einzubringen und zu beteiligen, bringen nachhaltige Veränderungen mit sich. Und so verändern sich nicht nur unser Blick, sondern auch die Rollen, die wir einnehmen. Mal sind wir Teil einer Community, mal Impulsgeber, Konsument oder der, der etwas weiterempfiehlt. Im Zuge der digitalen Manipulationsmöglichkeiten und immer offensichtlicheren Daten-Missbrauchs-Skandale erfährt die persönliche Empfehlung eine Renaissance. Weiterempfehlungen durch Freunde, Familie oder Kollegen stehen hoch im Kurs. Eine der ältesten Kommunikationsformen der Welt, die Mundpropaganda, erhält erneut einen zentralen Stellenwert.

Was Kommunikation nicht kann

In vielen Jahren intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Strategie, Kommunikation, Design und Interaktion, wie der rasant steigenden Dynamik technischer Möglichkeiten und somit immer neuer Dimensionen in der Kommunikation, ist die Frage nach den Grenzen einer virtuellen, digitalen Kommunikation vielleicht die Spannendste. Die Frage nach den Grenzen der Wahrnehmung, wie den Grenzen von Machbarkeit und Verständlichkeit, sind beileibe nicht erst seit der Erfindung des Internets von Bedeutung.

Kommunikation konnte noch nie aus schlechten Produkten bessere machen. Politikverdros-senheit in Politikbegeisterung wandeln oder den Vorständen unternehmerische Entscheidungen abnehmen. Wie sagte der Krisenkommunikationsspezialist Klaus-Peter Johanssen so treffend: „Was nicht kommunizierbar ist, ist nicht umsetzbar.". Und dies gilt unabhängig von den eingesetzten Mitteln, Kanälen oder Medien.

Als ich vor einigen Monaten diesen Beitrag verfasste, rollte die noch junge Marke ADAC-Postbus mit viel Elan und großen Hoffnungen auf deutschen Autobahnen. Der ADAC-Skandal um Manipulation, Bestechung und Amtsmissbrauch bedeutete leider im weiteren Verlauf den Ausstieg des ADAC aus den gemeinsamen Aktivitäten und so wandelte sich die Marke ADAC-Postbus in Postbus. Mittlerweile hat die Billigpreisspirale auch diese Marke unter sich begraben. Nichts desto trotz halte ich das folgende Beispiele für durchaus beachtenswert.

Batman fährt ADAC Postbus

Um das Feature Onboard-Entertainment erlebbar zu machen, gleichzeitig eine junge Zielgruppe zu erreichen und das Service-Versprechen Entertainment, Spaß und Spannung einzu-lösen, fiel die Entscheidung auf einen Online-Clip. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren die Aspekte Raum und Zeit, die es ermöglichen, die Geschichte dramaturgisch aufzubauen und sukzessive eine Botschaft zu transportieren, die ein nachhaltiges Erinnerungspotenzial bietet.

Batman, Superman sowie Chewbacca und Storm Troopers aus der Filmreihe Star Wars betraten die Bühne: Als Superhelden verkleidete Statisten mischten sich wie selbstverständlich unter die nichtsahnenden Passanten am Zentralen Omnibus Bahnhof Berlin und warteten auf den ADAC Postbus, kauften Tickets, verstauten ihr Gepäck und bestiegen schließlich als „normale" Fahrgäste den Bus.

Eine kurzweilige, spannende und witzige Reise beginnt. Authentische Überraschungsmomente und ein erzählerischer Spannungsbogen vermitteln das Serviceversprechen des beworbenen Onboard-Entertainment-Angebots im ADAC Postbus. Nicht nur die Gäste im Bus hatten ihren Spaß, sondern auch die Zuschauer vor den Bildschirmen. Spielerisch und unterhaltsam wurden die wesentlichen Inhalte transportiert. Der Clip generiert Spannung, weckt Interesse am Angebot und spricht mittels des Online-Clips in den sozialen Netzwerken insbesondere die junge Zielgruppe an – wesentlich gezielter als ein klassischer TV-Spot.

Fazit

Die digitalen Medien sind mittlerweile integraler Bestandteil unserer Lebenswelt. Eine Tren-nung zwischen digital oder analog existiert schlicht nicht, es gibt nur ein sowohl als auch. Homepage, Blog und Facebook-Fanpage sind schon lange kein Randphänomen mehr und Klickraten längst nicht mehr die einzig geltende Währung. Digitale Markenführung muss deshalb ebenso konsequent aus der Marke gedacht sein, wie klassische Kommunikation über analoge Medien und Kanäle, wenn nicht sogar konsequenter und stringenter. Die Grenzen haben sich längst aufgelöst. Botschaften, die einst mittels Print, TV oder Plakat relativ unabhängig voneinander existieren konnten, sind online jederzeit, überall und 24 Stunden, 7 Tage die Woche kritischen Fragen und Persiflagen ausgesetzt. Beißende Kritik und überbordende Häme können im Zweifelsfalle per Facebook oder Tweet in Sekundenschnelle für Marke und Unternehmen zum Bumerang werden. Gefahr und Chance zugleich. Ohne ganzheitliche Betrachtung und Steuerung der Markenkommunikation werden die Impulse schnell zur Gefahr und die Mittel, die Unternehmen einsetzen, bewirken unter Umständen genau das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollten.


Wie neues Denken Unternehmen und Gesellschaft zu einer Balanced Economy zusammenführen.

Ein Beitrag für das MetaMagazin von Uli Mayer-Johanssen vom 12. Februar 2012

Immer häufiger trifft man auf Unternehmen, in denen die Frage nach Art und Umfang ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zentrales Thema ist. Unternehmen, die nicht mehr nach einem passenden Spendenprojekt, sondern danach suchen, wie sie ihre Verantwortung für die Gesellschaft zum Bestandteil ihrer Unternehmenspersönlichkeit machen können. Aufgabenstellungen, die auch die Arbeit eines Dienstleisters wie MetaDesign unmittelbar betreffen. Denn Unternehmen und Marken erfolgreich zu führen, bedeutet, das adäquat darzustellen, was sie im Kern ausmacht. Oder, wie wir es seit Jahren ausdrücken: Strategie, Kommunikation und Design in Einklang zu bringen.

Ein Blick in die Zukunft zeigt die Dramatik der Frage nach vertretbaren Wachstumsstrategien. Zeigt, wie drängend die Fragen nach Wegen sind, die Mensch, Technik und Umwelt in Einklang bringen können. Zeigt, dass Ökologie, Ökonomie, Soziales und Technik nicht länger im Widerstreit stehen dürfen. Immer größer wird damit für Unternehmen die Herausforderung, die Gesamtheit ihrer Aktivitäten, ihre Erzeugnisse, Produkte und Dienstleistungen und die Art und Weise, wie sie sich in der Gesellschaft positionieren, gezielt zu steuern. Und immer stärker müssen Unternehmen ihre gesamte Kommunikation und ihren Auftritt – über alle Kanäle hinweg – im Blick behalten und dafür Sorge tragen, dass all dies ihr Profil am Markt schärft und sich nachhaltig positiv auf ihr Image auswirkt. Liegt darin doch für Unternehmen wie Marken nicht nur die große Chance, sich gegenüber jenen, die den künftigen Anforderungen nicht gerecht werden, abzugrenzen. Unternehmerisches Handeln, das sich an den Grundsätzen eines nachhaltigen Wirtschaftens ausrichtet, ist mehr als ein Wettbewerbsvorteil. Gesellschaftliche Verantwortung in dieser Form zu zeigen, ist unverzichtbar, nicht nur für die Unternehmen selbst und ihr Überleben, sondern für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft als Ganzes. Hängt es doch wesentlich von der Art des Wirtschaftens ab, ob wir auf Kosten kommender Generationen oder in ökologischer, öko-nomischer und sozialer Hinsicht in einer Balanced Economy leben.

Der große Wandel

Von Märkten zur ganzen Gesellschaft, von Zielgruppen zum „ganzen Menschen“, von Machbarkeit zur Sinnhaftigkeit, vom „Haben zum Sein“. Internet und Social Media sind die großen Treiber, die einem von diesem Wertewandel geprägten neuen Lebensgefühl Ausdruck verleihen. Und weil die Menschen sich verändert haben, weil ihr Lebensgefühl dem von gestern nicht mehr entspricht, hat sich auch der Markt gewandelt. Glaubwürdigkeit und verantwortungsbewusstes Handeln werden zu wichtigen Parametern, wenn die Menschen Unternehmen und ihre Aktivitäten bewerten. Unternehmen können ihr Handeln nicht mehr allein an Umsatz- und Ertragszielen ausrichten. Ihre Interessen müssen mit denen der Gesellschaft im Einklang stehen. An der Machbarkeit, Sinn-haftigkeit und gesellschaftlichen Vertretbarkeit ihres Handelns bestimmt sich ihre Legitimität.

Wer zudem mit einer Gesellschaft konfrontiert ist, die auf „weniger ist mehr“ setzt und „Wachstum um jeden Preis“ in Frage stellt, ist gezwungen zu beantworten, welchen Nutzen und welche Relevanz seine wirtschaftlichen Aktivitäten, also all seine Dienstleistungen, Produkte und Marken haben. Das einzelne Produkt als solches steht nicht mehr im Mittelpunkt des Auftritts. Die Unternehmen sind gefordert, ihre Aktivitäten als Ganzes im Blick zu behalten und den gesellschaftlichen Kontext mitzudenken und mit zu verantworten. Das muss im Markenauftritt sichtbar, im Markenerlebnis erlebbar sein. Für die Markenverantwortlichen heißt das, die emotionalen Erwartungen aller Stakeholder im Blick zu haben und in allen Kommunikationsinstrumenten adäquate Antworten darauf zu finden.

Unternehmen müssen wissen, warum sie welches Produkt herstellen, welche Dienstleistung anbieten, welchen Stellenwert ihr Handeln in der Gesellschaft hat und wie all dies zusammenwirkt und was es bewirkt. Um dies zu gewährleisten, müssen sie aus ihrer Identität heraus agieren. Dann erst sind sie in der Lage, die emotionale Dimension in die Waagschale zu werfen, die im Wettbewerb um die passenden Mitarbeiter und die treuesten Kunden immer entscheidender werden. Unternehmen, die aus ihrer Mitte heraus agieren, die eine Vision, eine Idee zum Ausdruck bringen, werden künftig diesen Anforderungen am ehesten gerecht. Dies entspricht unserer Überzeugung, dass Identität, Werte und Haltung eines Unternehmens die wichtigsten Säulen seines Erfolges sind. In unseren Identity- und Brandingprozessen sind diese Faktoren daher die zentralen Bausteine bei der Erarbeitung der strategischen Markenplattform. Die Frage nach der unternehmerischen Vision, danach, wohin das Unternehmen sich künftig entwickeln soll, führt zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit Werten, Zielen und inneren Vorstellungsbildern. Dazu braucht es Menschen, die diese Themen erkennen, die die Gesamtheit des Unternehmens in seiner ganzheitlichen Wirkungsdimension im Blick behalten. Immer deutlicher wird, dass all dies nicht nur neues Denken erfordert, sondern auch eine neue Kompetenz, einen „Identitätsmanager“. Markt, Gesellschaft und Mitarbeiter erfordern zunehmend aber auch Führungskräfte, die Vertrauen, Hoffnung und Stabilität vermitteln und emotionales Einfühlungsvermögen besitzen.

Was für ein Potenzial!

Laut einer Gallup-Studie befassen sich Unternehmen nur zu einem Prozent mit ihrer Zukunft. Wenn wir aber nicht wissen, wohin wir warum wollen und welches Ziel wir verfolgen, dann kann es auch kein klares Bild von uns geben. Außen schon gar nicht. Aber auch innen nicht mit der Folge, dass niemand mehr Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Immer noch bestimmen Silodenken, Karrierestreben und Abgrenzung unseren Alltag und unser Handeln bestimmen gute alte Glaubensgrundsätze, dass wir komplexe Problemstellungen alleine lösen können. Dagegen vermitteln Konsistenz und Sinnhaftigkeit in Auftritt und Kommunikation schneller als jedes rationale Argument, ob wir meinen, was wir sagen, und ob wir halten, was wir versprechen „Viele lose Enden und doch kein Netz“ ist ein vermeintlicher Luxus, der der Vergangenheit angehört. Heute sind Botschaften in Bruchteilen von Sekunden in aller Welt, Kunden wie Mitarbeiter vernetzen selbst-ständig, was ihnen an Botschaften, Informationen und Impressionen zur Verfügung stehen, und bilden sich eben so ihre eigene Meinung. Damit werden Unternehmen zu Getriebenen von Medien und Märkten, die nach eigenen Gesetzmäßigkeiten handeln.

In einer Gesellschaft, die den Interessensausgleich aller Stakehol-der zum Ziel hat, die im Sinne einer Balanced Economy nach einem Ausgleich der Interessen von Wirtschaft mit all ihren Unternehmen, Mitarbeitern, Aktionären und Kunden auf der einen Seite und den damit verbundenen Eingriffen in die Natur und den Folgen für die Gesellschaft als Ganzem auf der anderen Seite sucht, ändern sich die Erwartungen an die Unternehmen. Unternehmen müssen daher die einzelnen Ebenen ihres Handelns miteinander vernetzen. Wie gut es ihnen dann gelingt, dies zu zeigen, es vor allem nachhaltig wirksam in alle Dimensionen ihres Auftritts zu übersetzen, wird ihren Erfolg in der Gesellschaft, bei ihren Kunden und den Märkten ausmachen.

Philip Kotler, der laut Wall Street Journal zu den sechs wichtigsten Wirtschaftstheoretikern zählt, empfiehlt ein Marketing, das nicht mehr das Produkt oder den Verbraucher, sondern den Menschen als Ganzes ins Zentrum stellt. Er prognostiziert einen Markt, „der Zeit und Glück zu neuen Indikatoren für Reichtum, Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit und ein neues Qualitätssiegel für Unternehmen werden lässt“ und fordert, dass Unternehmen Orientierung und Erfüllung auch in seelischer Hinsicht liefern. Zur Legitimation unternehmerischen Handelns reicht also nicht die Ausrichtung der Aktivitäten an den Bedürfnissen ihrer Kunden. Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Sinnhaftigkeit werden zu Prüfkriterien, denen sich Unternehmen nicht mehr länger entziehen können.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass technische Machbarkeit und gesamtgesellschaftliche Verantwortung oft im Widerstreit stehen. Dass Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft um die Beste aller Welten ringen müssen, um das, was aus der Balance geraten ist, wieder ins Lot zu bringen. Eine Unternehmensführung, die Nachhaltigkeit und Innovationskraft zu verbinden weiß, die sich ihrer Werte und ihrer Identität bewusst ist, wird die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. Denn sie weiß, wofür sie steht und wird für die ihr gesetzten Ziele Verantwortung übernehmen. Das aber erfordert ein Umdenken.

Michael E. Porter, Managementvordenker und Havard-Professor, bringt es auf den Punkt: „Nie zuvor in der Geschichte stand die Legitimität der Unternehmenswelt stärker infrage.“ Daher verlangt er „Unternehmen müssen wirtschaftlichen Erfolg wieder mit sozialem Fortschritt verknüpfen“. Im Aufteilen der Gewinne entscheidet sich wie unsere Zukunft aussieht. Porter nennt das „Creating Shared Value“.

Die Menschen lieben es, dass ihnen ein Weg in die Zukunft gezeigt wird. Ob das nun Werte sind, die wir teilen, Visionen oder die Frage nach dem Sinn oder dem Glück, jedes Unternehmen sollte schnellstens seine individuelle Lösung finden, diese emotionalen Bedürfnisse anzusprechen. Die Zeit, in der dieser Aspekt im Wirtschaftsleben in die Kuschelecke verbannt wurde, ist vorbei. Ob das nun Corporate Social Responsibility, Sustainabilty, Shared Value oder Balanced Economy genannt wird, der Begriffe sind viele. Jetzt muss die Umsetzung beginnen.